Sylta Lauerwald

Brandung

Als ich die Treppe hinauf ging, orientierte ich mich nach links, folgte den Bildern.

Eröffnung der Ausstellung Nr. 59, Gerhart Bettermann, - Retrospektive - .

Zeitgeschichte, Landschaften, Reiseeindrücke, Menschen, Bäume, Boote, Fischer am Strand ... .

Viele Besucher in kleinen Gruppen mit Getränken in der Hand.

Da springt sie mir plötzlich ins Auge, peitscht mir entgegen, wird immer größer, je näher ich komme, überrollt mich, läuft hinter mir her. Ich kann nicht zurück, hinter mir das Geländer. Ich gehe zur Seite, suche Halt, stütze mich ab.

Sie reißt mich in ihren Sog, zieht mich nach unten, wirbelt mich umher. Sandkörner schmirgeln die Haut, Gischt fegt über mich, Druck auf der Brust, Achterbahn. Auftauchen - Herzrasen - !

Ich schmecke Salz, fühle Wind, rieche das Meer.

- Gebannt starrte ich auf das Kunstwerk,
- auf die große Welle, auf das auf Holz gemalte Ölbild "Brandung".

Noch acht Tage bis Biikebrennen.

Aus der Wohnung holte ich warme Kleidung, Zahnbürste, Rucksack.

Ostwind fuhr schneidend in mein Gesicht.

Kälte zog durch das offene Parkhaus. Pfeiler starrten grau, eckig aus dem Neonlicht, meine Autotür knarrte, vorbei an grellen Graffiti.

Zigarettenqualm wand sich mit diffusem Licht durch eine schmal geöffnete Tür. Kaffeeduft, Dunst. Am Nebentisch tranken zwei Männer Guinness. Musikfetzen, "Fisherman´s Blues" von den "Waterboys".

Der Wind hatte gedreht, wehte stark aus Süd-West. Ich zog den Kragen hoch.

Steinpflaster, Stufen, Sand, - da empfängt sie mich.

Rollt auf mich zu, baut sich hochtürmend wieder auf, sprüht mir ihr salziges Nass entgegen, läuft zurück, zeichnet Bilder in den Sand, kommt wieder auf mich zu, übergießt mich mit Geschenken: - Muscheln, Tampen, geschliffenes Glas.

Ich schließe die Augen. Schaum fliegt weich ins Gesicht, die Haut prickelt.

- Salz, - Wind, - Meer,

wieder auf meiner Insel.

 

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MA 29.06.2011