Manfred Brinkmann

"Der kleine Rilke-Baukasten. Eine Anstiftung zum lyrischen Schaffen nebst 33 beispiellosen Gedichten." (Auszug)

In Vorträgen und Feuilletons ist gern einmal die Rede von einem Ort, der noch entlegener ist als der Elfenbeinturm, das Refugium der Geisteswissenschaftler, die ominöse Dichterwerkstatt. Schon Wilhelm Busch wußte,
mitunter schwitzen muß der Schreiner,
er stößt auf manchen harten Ast,
so geht es auch, wenn unsereiner
sich mit der Grübelei befaßt.

Ich hab auch eine Werkstatt zu Hause, da wird der Rasenmäher repariert, da hab ich mir Bücherborde gebaut – aber geschrieben hab ich keine Zeile. Das wär auch ungünstig, im Stehen an der Hobelbank. Da gehe ich doch an den Schreibtisch. Aber Werkstatt das klingt nach harter Arbeit, nach Spänen und Schweiß und wirklichem Leben. So wird man unversehens als Stückeschreiber oder Liedermacher handfest wie ein Gerichtsschreiber und Hutmacher.
Ich lese lieber was Gutes zur Anregung, als allzuviel Staub aufzuwirbeln. Voraussetzung des Schreibens ist ja das Lesen. Und nichts ist anregender. Ich hab in Robert Gernhardts Gedicht Folgen der Trunksucht über einen ewig besoffenen Schreiner die wundervollen Zeilen gefunden: Schaut wie flink und frettchenhaft er an seinem Brettchen schafft. Das sieht man doch förmlich vor sich. Da wollt ich nicht zurückstehen und hab’s mit seiner Erlaubnis eingearbeitet in die 

DICHTERWERKSTATT

Was macht des Wortes Arbeitsmann,
trifft man ihn in der Werkstatt an?
Schaut wie flink und frettchenhaft
er an seinem Brettchen schafft.

Seht wie sich in Schweinekringeln
Späne aus dem Hobel ringeln,
abfällig wird die Kunst gemacht,
erhebt sich und das Brett verflacht.

Was bleibet aber,
dichten die Stifte,
sticht sie der Haber?

Erhaltene Norm,
gefüllte Form, er-
hab’nes Gelaber!

Ein wenig basteln an Gedichten, das sollte man schon. Und dazu muß man sich das Material, die Worte etwas genauer anschauen, als das für die Alltagssprache nötig ist. Und nicht nur anschauen, auch anhören. Die Vokale zum Beispiel. Aah! Der Laut der angenehmen Überraschung und Vorfreude. Ooh, ist auch überrascht, aber eher erschrocken oder unangenehm berührt. Und uuh - das klingt ganz und gar uunangenehm, dumpf, geradezu klebrig.
Aus solchen mitklingenden Voraussetzungen läßt sich doch etwas machen. Ich habe einige dumpfdunkle U-Wörter genommen und daraus ein Säufergedicht in zwei Sätzen gemacht. Es heißt

GIN und JUNK

Hat mancher Dussel nicht auch Dusel,
macht nicht fusselig der Fusel,
fummelt duhn und dummelig
der Suffkopp sich nicht brummelig,
bis die Sektflasch’ endlich "plopp" sacht
und sich der Korken: hopp! davon macht?

Und endlich dann:

in seinem Dusel eingenusselt,
in Sektlaun so dahingedusselt,
ist bald der Rest der Welt verschusselt
und all ihr Grausen und ihr Grusel!

 

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MA 25.11.2007